In einem offenen Brief an die EU-Kommission kritisiert die Nonprofit-Organisation „Them before Us“ das EU-Elternschaftszertifikat.

Mit dem Vorschlag eines EU-Elternschaftszertifikats (das Institut für Ehe und Familie (IEF) hat berichtet) möchte die Europäische Kommission (EK) die unterschiedliche Handhabung der Anerkennung der Elternschaft in den verschiedenen Mitgliedstaaten vereinheitlichen, um die EU-Grundfreiheiten zu schützen – so die Argumentation. Die Grundfreiheiten ermöglichen es den EU-Bürgern, in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu leben und zu arbeiten. Auch die in einem Mitgliedstaat anerkannte Elternschaft solle für das gesamte Gebiet der EU ohne weitere Verfahrensschritte gelten, sieht der Verordnungsvorschlag vor. Viele Organisationen, darunter auch das Institut für Ehe und Familie, haben sich in einer Stellungnahme gegen dieses Vorhaben ausgesprochen, weil es zu einer De-facto-Anerkennung der Leihmutterschaft führt, die das Kindeswohl gefährdet und die Menschenrechte von Frauen verletzt.

Augenmerk auf Kindesperspektive

In ihrem offenen Brief an die EK spricht sich nun auch die Nonprofit-Organisation „Them before Us“, die sich für Kinderrechte weltweit einsetzt, gegen das Elternschaftszertifikat aus und rückt einmal mehr die Perspektive des Kindes in den Mittelpunkt. Katy Faust, Präsidentin von „Them Before Us“, sieht in dem EU-Elternschaftszertifikat eine Verletzung von Kinderrechten im Namen von deren „Stärkung und Schutz“. Die UN-Kinderrechtskonvention (UNK) habe ganz klar die Rechte von Kindern identifiziert, während der Vorschlag der EK diese Rechte zugunsten der Wünsche der Erwachsenen verdrehe. Die wahren Rechte von Kindern – das seien deren Recht auf Identität, das Recht, nicht gegen deren Willen von den Eltern getrennt zu werden und das Recht, in Freiheit geboren zu werden – würden in diesem ganzen Prozess missachtet, so Faust.

Konstruierte Identität

Gemäß Artikel 8 der UNK müsse die Identität des Kindes geachtet und bewahrt werden und könne in diesem Sinne nicht neu verliehen werden. Jedes Kind habe einen Vater, eine Mutter und einen Stammbaum. Unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde, seien es allein die beiden Eltern, die dem Kind seine biologische Identität geben würden und die Frage nach dem eigenen Sein beantworten könnten, erläutert Katy Faust. Das Elternschaftszertifikat wiederum würde die Identität eines Kindes nicht bewahren, sondern eine neue konstruieren, was dem Kind schade. Eine 2020 durchgeführte Umfrage der Organisation „We are Donor Conceived“, die Kindern von Samen- oder Eizellspendern eine Stimme gibt, ergab, dass sich die meisten Spenderkinder eine enge Freundschaft mit ihrem biologischen Elternteil oder Spender wünschen würden. Außerdem würde die Mehrheit der Mitglieder die Kenntnis der Identität beider biologischer Eltern als Menschenrecht sehen. Faust betont, dass das Elternschaftszertifikat dem Kind aber nicht sage, wer es sei, sondern wer es laut den Wünschen der Erwachsenen zu sein habe, nämlich das Kind eines oder zweier biologischer Fremder.

Keine Eltern-Kind-Trennung

Artikel 9 UNK gibt Kindern das Recht, nicht gegen ihren Willen von ihren Eltern getrennt zu werden. Auch dieses Recht werde durch das Elternschaftszertifikat verletzt. Bei der Eizell- oder Samenspende beziehungsweise der Leihmutterschaft werde die Beziehung des Kindes mit seinem Vater oder seiner Mutter bewusst getrennt. In der Studie „My Daddy’s Name Is Donor“ („Mein Vater heißt Spender“) wurden adoptierte Kinder, Spenderkinder und Kinder, die von ihren biologischen Eltern großgezogen wurden, zu ihren Lebensumständen befragt. Dabei gab knapp die Hälfte der befragten Spenderkinder (48 Prozent) an, Traurigkeit zu verspüren, wenn sie Freunde mit deren biologischen Eltern sehen. Unter den befragten adoptierten Kindern verspürten lediglich 19 Prozent ein Traurigkeitsgefühl. Für 53 Prozent der Spenderkinder sei es schmerzhaft, wenn andere über deren biologische Abstammung sprechen, außerdem herrsche bei 43 Prozent Verwirrung darüber, wer nun Teil der Familie ist und wer nicht. Die Umfrage ergab zudem, dass knapp die Hälfte der befragten Spenderkinder ein gebrochenes Vertrauensverhältnis zu deren rechtlichen Eltern aufweisen würden. 47 Prozent fühlten sich von ihrer Mutter, 43 Prozent von  ihrem Vater belogen. Bei adoptierten Kindern fielen diese Prozentsätze wesentlich geringer aus: 27 Prozent gaben ein zerrütetes Vertrauensmissverhältnis zur Adoptivmutter und 22 Prozent zum Adoptivvater an. Auch der finanzielle Aspekt ist ein Thema. 45 Prozent der Spenderkinder gaben an, dass es sie sehr störe, dass Geld geflossen sei, um sie zu empfangen. Adoption hingegen verbietet es, die biologischen Eltern zu bezahlen. Faust sieht deutlich, dass es adoptierten Kindern besser gehe als Spenderkindern. Die Adoptiveltern würden versuchen, die Elternwunde der Kinder zu heilen, während Erwachsene, die zur Reproduktion einen Spender heranziehen würden, die Elternwunde der Kinder erst hervorrufen würden, so Faust.

Kinder haben Rechte

Die gemeinnützige Organisation „Them before Us“ hat ein Ziel vor Augen: die Rechte von Kindern über die Wünsche von Erwachsenen zu stellen. Sie gibt Kindern eine Stimme in der Debatte über Familienstrukturen. „Them before Us“ ist sich sicher, dass Kinder das fundamentale Recht haben, von den zwei Personen gekannt und geliebt zu werden, die sie gezeugt haben, nämlich deren Mutter und Vater. Mit persönlichen Geschichten von Betroffenen möchte „Them before Us“ auf die Missstände bestimmter Familienstrukturen hinweisen und die Politik zum Handeln auffordern. „Nicht die Identität des Spenders zu kennen ist wie inmitten eines großen endlosen Ozeans gefangen zu sein“, so ein Erfahrungsbericht eines Spenderkindes. „Ich hasste es, mit zwei Müttern aufzuwachsen“, erzählt auch ein betroffener Mann seine Geschichte. Ein anderer Betroffener fühlte sich wie ein „krankes eugenisches Experiment, das fürchterlich schiefgelaufen ist“. Genau solche Schicksale würden durch das geplante Elternschaftszertifikat der EU gefördert werden. Im Namen der Kinder, die ihre eigenen Rechte nicht verteidigen könnten, fordere „Them before Us“ die EU daher auf, den Vorschlag des Elternschaftszertifikats und auch alle anderen Gesetze, die Kinder von ihrer wahren Identität trennen und deren Rechte untergraben, abzulehnen. 

Vorsitzender

Christian Kast

Bündnis C – Christen für Deutschland

Kreisverband Darmstadt Dieburg