Am 31.12.2022 verstarb Papst Benedikt XVI. und mit ihm ein Apologet und Verteidiger der philosophischen Grundlagen Europas, des Rechts und der Menschenwürde. Am selben Tag wurde in Deutschland der Begriff der Freiheit zur Floskel des Jahres 2022 gekürt. Wir erinnern an die Rede von Papst Benedikt vor dem Deutschen Bundestag am 22.09.2011 und wie sich wahre menschliche Freiheit vollzieht.

In seiner Rede vor dem Bundestag legte Benedikt XVI. von seiner internationalen Verantwortung her die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats dar. Er warnte vor der Verfälschung des Rechts, womit der Staat – mit Augustinus gesprochen – zu einer Räuberbande wird. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren, zwischen Gut und Böse, wahrem Recht und Scheinrecht zu unterscheiden, nannte er die grundlegende Aufgabe des Politikers, und dass in Grundfragen des Rechts kein Mehrheitsprinzip ausreicht. Das Christentum hat dem Staat und der Gesellschaft nie eine Rechtsordnung aus Offenbarung vorgegeben. „Es hat stattdessen auf Natur und Vernunft als die wahren Rechtsquellen verwiesen – auf den Zusammenklang von objektiver und subjektiver Vernunft, der freilich das Gegründetsein beider Sphären in der schöpferischen Vernunft Gottes voraussetzt. […] Wenn damit bis in die Zeit der Aufklärung, der Menschenrechtserklärung nach dem Zweiten Weltkrieg und in der Gestaltung unseres Grundgesetzes die Frage nach den Grundlagen der Gesetzgebung geklärt schien, so hat sich im letzten halben Jahrhundert eine dramatische Veränderung der Situation zugetragen.“1 Ein positivistischer Naturbegriff, der Natur rein funktional versteht, wurde zum wissenschaftlichen Dogma erhoben und verbannte Ethos, Recht und Religion aus dem Bereich der Vernunft in die Subjektivität. Mit der alleinigen Herrschaft der positivistischen Vernunft, so Papst Benedikt, wurden die klassischen Erkenntnisquellen für Ethos und Recht außer Kraft gesetzt.

Seine dringende Einladung zu einer öffentlichen Diskussion darüber fand weder in der Politik noch in den Medien Widerhall. Im Gegenteil hat die positivistische Weltsicht sich immer rigoroser des Menschen und der Schöpfung bemächtigt. Ein daraus etablierter Mainstream links-grüner Gender- und Klimapolitik versucht sich nunmehr alle Lebensbereiche zu unterwerfen. Unsere aktuelle Regierung ist angetreten, die Ernte des 68er Neomarxismus einzufahren mit seinen zerstörerischen Früchten für Familie und Bildung, Wirtschaft und Finanzen, Gesundheit und Soziales, Energieversorgung und Verteidigung, usw. Benedikts Warnung, dass Verfechter des Positivismus Europa in einen Status der Kulturlosigkeit rücken und zugleich extremistische und radikale Strömungen herausfordern, zeigt sich in fast allen Gesellschaftsbereichen und zunehmender Dysfunktionalität. Ideologisch motivierte politische Entscheidungen lösen kaum Probleme, sondern schaffen schlimmere.

Widergöttliche Systeme, die gezielt die christlichen Grundlagen unserer Geschichte und Kultur unterlaufen, sind zum Scheitern verurteilt. Wir können sie nicht verbessern. Aber wo sie anfangen wegzubrechen, öffnet sich Raum, wo wir als Christen gefragt sind, Neues aus unseren biblischen Grundlagen und der Inspiration des Heiligen Geistes zu gestalten. Papst Benedikt begründete den Widerstand gegen geltende Rechtsordnungen, wo Menschen gezwungen werden, unter gottlosen Gesetzen zu leben, indem sie im Namen des Gesetzes der Wahrheit gegen die bestehende Ordnung leben und sich organisieren. Die Ökologie des Menschen und der Schöpfung brauchen Wiederherstellung, weil Freiheit keine beliebige Floskel ist, sondern nur in unserer gottgegebenen Natur existiert:

„Die Bedeutung der Ökologie ist inzwischen unbestritten. Wir müssen auf die Sprache der Natur hören und entsprechend antworten. Ich möchte aber nachdrücklich einen Punkt noch ansprechen, der nach wie vor weitgehend ausgeklammert wird: Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.“

Wir stehen in der Pflicht, das kulturelle Gedächtnis Europas zu bewahren und es neu fruchtbar zu machen, wie Papst Benedikt XVI., der sich zeitlebens als „Mitarbeiter der Wahrheit“ verstand, es beschrieb: „Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden.“ In dieser Verantwortung stehen wir als Partei und rufen die Kirchen auf, Christen zuzurüsten, um in Politik und Gesellschaft diese Verantwortung vor Gott und Menschen wahrzunehmen und die uns gegebenen Maßstäbe des Rechts zu verteidigen.

1 Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/benedict/rede-250244