Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission soll die Streichung des Abtreibungsrechts aus dem Strafgesetzbuch prüfen. Der französische Senat hat den Weg freigemacht, um in der Verfassung Frankreichs die „Freiheit, eine Schwangerschaft zu beenden“ zu verankern. Im Jahresbericht der EU zu Menschenrechten und Demokratie kommt das Recht auf Leben nicht vor. Und die WHO fordert eine vollständige Entkriminalisierung von Abtreibung weltweit. Bündnis C warnt vor der Definition von Abtreibung als Menschenrecht und mahnt die Umkehr zu einer reproduktiv gesunden Gesellschaft an.
Fachkräftemangel überall, und man sollte meinen, dass dem gesunden Menschenverstand die Ursache augenfällig ist: die Generation der Babyboomer hat eine boomende Wirtschaft aufgebaut, aber sich nicht reproduziert. Kinder kamen in den Wohlstandsplänen zu wenige vor, und jetzt fehlen sie. Die fragwürdige Vorhersage, dass die Digitalisierung Millionen Arbeitsplätze vernichten und Massenarbeitslosigkeit mit sich bringen würde, ist verstummt. Die Politik will mit Zuwanderung Abhilfe schaffen. Bayerns Ministerpräsident Söder merkt aber gerade auf seiner Abwerbetour in Albanien und Rumänien, dass andere Länder ihre Kinder nicht für Deutschland großziehen und ausbilden. Daran wird auch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Ampelregierung scheitern.
Wieso steuert die Politik nicht bei der eigentlichen Ursache des Mangels um mit einer familienorientierten Politik, die motiviert, Kinder zu haben? Stattdessen treiben Europa und die UN eine Agenda voran, Abtreibung als Menschenrecht zu etablieren. Nicht das grundlegende Recht des Kindes auf Leben, sondern das der Mutter auf Selbstbestimmung wird zur Priorität erhoben. Die deutsche Familienministerin will nach dem Werbeverbot für Abtreibungen § 218 aus dem Strafgesetz streichen, und Abtreibung soll Gesundheitsversorgung werden. Einem initialen Vorschlag des französischen Präsidenten Macron folgend, befürwortete das Europaparlament im Juli 2022, ein Recht auf sichere und legale Abtreibung in die Europäische Grundrechtecharta aufnehmen, obwohl es für Gesundheitspolitik nicht zuständig ist. Der Abtreibung verschleiernde Begriff der „reproduktiven Gesundheit“ wird seit den 1960er Jahren von der UN mit Familienplanung verknüpft und seit der Weltbevölkerungskonferenz 1994 als Instrument zur Bevölkerungskontrolle gebraucht.
Wenigstens in den westlichen Industriestaaten hat die Agenda der Bevölkerungsreduktion funktioniert – mit absehbaren Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs, wie wir ihn jetzt erleben. Kinder sind jedoch nicht nur Humankapital für die Wirtschaft, sondern zuerst und vor allem der Motor für eine lebendige Gesellschaft, für eine Kultur des Lebens statt einer Agenda des Todes, die neues Leben verhindern will.
Während diese Agenda in Deutschland, Europa und weltweit politisch weitergetrieben wird, keimt Hoffnung auf, weil immer mehr Ärzte und Kliniken keine Abtreibungen mehr durchführen wollen. Sie berufen sich auf Gewissensgründe, dass ihr Beruf sie verpflichtet, Leben zu retten statt zu töten. Die von der 68er sexuellen Revolution ideologisierte Ärztegeneration geht in den Ruhestand, deshalb will die Ampelregierung Abtreibungen in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung vorschreiben. Wer Ärzte gegen ihr Gewissen verpflichten will, gefährdet damit aber die Gesundheitsversorgung, statt sie inklusive Abtreibung sicherzustellen.
Eine Manipulation der Menschenrechte nach eigenen ideologischen Maßstäben verkehrt diese in ihr Gegenteil, wie es der Jahresbericht 2022 zu Menschenrechten und Demokratie des Europaparlaments tut. Es „äußert sich weiterhin besorgt über den Missbrauch und die Instrumentalisierung von Religion zur Befeuerung von Intoleranz oder der Untergrabung von Menschenrechten, wie der Rechte von LGBTIQ-Personen und der Rechte von Frauen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte sowie der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit von Kindern“.1
Das Grundrecht auf Leben für Kinder wird hier Plagiaten von Menschenrechten unterworfen, die ihres unverfügbaren Kerns beraubt sind, wie ihn Papst Benedikt XVI. 2011 dem Deutschen Bundestag erklärt hat: „Von der Überzeugung eines Schöpfergottes her ist die Idee der Menschenrechte, die Idee der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht, die Erkenntnis der Unantastbarkeit der Menschenwürde in jedem einzelnen Menschen und das Wissen um die Verantwortung der Menschen für ihr Handeln entwickelt worden.“2
Diese Maßstäbe des Rechts zu verteidigen ist das Gebot der Stunde. Bündnis C steht für die Umkehr zu einer Politik, die dem Leben dient, Familien unterstützt, Kinder zu haben und zu erziehen. Reproduktiv gesund kann niemals ein Recht auf Abtreibung sein, sondern eine Politik zugunsten einer reproduktiven Kultur. Sexuelle Selbstbestimmung haben Frauen und Männer über ihre Sexualkontakte, nicht aber über einen dabei gezeugten Menschen. Wir treten dieser Verkehrung der Grundrechte entgegen mit dem obersten Gebot, das Recht auf Leben zu schützen.
1 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0011_DE.html 84.
2 Rede Papst Benedikts XVI. im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/benedict/rede-250244