Das Baby-Business formiert sich neu. Frühere Top-Destinationen wie die Ukraine und Indien fallen aus. Neue Standorte für den Menschenhandel gewinnen an Bedeutung.

Ein Jahr Krieg hat dem Baby-Business in der Ukraine zugesetzt. Die Bilder, die um die Welt gingen, rüttelten auf: Verzweifelte Bestelleltern, die trotz Krieges versuchten, in die Ukraine einzureisen, um die Leihmutter zum Ausreisen zu bewegen, um ihr (bestelltes) Kind aus der Gefahrenzone zu bringen. Agenturen, die Leihmütter dazu anhielten, ihr Kind abtreiben zu lassen. Leihmütter, die in Bunkern Babys zur Welt brachten. Dutzende Krankenschwestern, die in Schutzkellern über Monate jene Babys für Ausländer Tag und Nacht versorgten, die zwar bestellt waren, aber nicht abgeholt wurden. Mietmütter, die vergebens auf ihre versprochenen Löhne warteten, weil in den Kriegswirren in der Agentur niemand mehr für sie ansprechbar war.

Die Nachfrage ist größer denn je

Zeit für ein Umdenken? Keineswegs. Die Nachfrage nach Leihmutterschaftsdiensten sei größer als je zuvor, sagt Ihor Pechenoha, Klinikdirektor von BioTexCom. Bis zum Ausbruch des Krieges war die Ukraine nach den USA der zweitgrößte Mietmutterschaftsmarkt der Welt. Jährlich wurden 2.500 Kinder von ukrainischen Leihmüttern ausgetragen, 90 Prozent waren von ausländischen Paaren bestellt. Jetzt fehlt es an potenziellen Frauen, die ihren Körper zwecks Gebären vermieten wollen. „Da so viele ukrainische Frauen ins Ausland gegangen sind, haben wir nicht genug, um die Nachfrage zu stillen, die seit Kriegsbeginn gewachsen ist“, klagt Pechenoha. Die ukrainische Leihmutterschafts-Agentur BioTexCom möchte deshalb nun Frauen aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken als Leihmütter anheuern.
Rekrutiert würden die Frauen aus ärmeren Gebieten, denn   so viel gibt Pechenoha immerhin zu: Alle, die als Mietmütter arbeiten, täten dies aus finanzieller Not. „Sie tun es, weil sie das Geld brauchen, um ein Haus zu kaufen, für die Ausbildung ihrer Kinder.“ BioTexCom selbst gilt als größte und erfolgreichste der zahlreichen Fertilitätskliniken in der Ukraine. Die Klinik deckte rund 70 Prozent der Leihmutterschaften in der Ukraine ab mit jährlichen Einnahmen von mehr als zehn Millionen Euro. Was BioTexCom nur ungern zugibt: Seit dem Krieg haben Vermittlungsagenturen auf andere Länder umgeschwenkt. Mexiko und Teile Lateinamerikas verzeichneten seit der Ukraine-Krise eine erhöhte Nachfrage. Besonders attraktiv ist mittlerweile Georgien, das ähnliche Gesetze hat wie die Ukraine und zu den Billigst-Angebots-Ländern für Leihmutterschaft zählt.

Ein milliardenschweres Business

Leihmutterschaft wurde in Georgien bereits 1997 legalisiert, ist vergleichsweise günstig und hat wenig gesetzliche Schranken. Damit ist das bitterarme Land nicht nur für Kunden aus dem Westen, sondern auch aus Indien attraktiv. Dort wurde vor 20 Jahren die kommerzielle Leihmutterschaft legalisiert. Nun, im Jahr 2022 wurde sie endgültig für Ausländer und Inländer verboten, trotz lautstarker Proteste der Lobby der Leihmutterschaftsagenturen. Das Modell der sogenannten altruistischen Leihmutterschaft wird im Vergleich minimal genutzt. Das milliardenschwere indische Business bricht zusammen. Also bauen indische Wunschbaby-Kliniken ihre (Menschen)-Handelsbeziehungen nun mit Georgien auf.

Der Zeitpunkt des indischen Verbots hätte für Georgien nicht besser fallen können. 2022 fiel wegen des Kriegs die Ukraine als Topdestination für Mietmütterschafts-Verträge weg, um den indischen Markt zu bedienen. Georgische Agenturen haben dafür bereits Zweigstellen in Indien und weltweit errichtet. So wird die Leihmutterschaftsagentur ARTbaby mit Sitz in Tiflis von Ravi Sharma, einem Inder, geführt. Der ARTbaby-Direktor schwärmt von Georgien: „Die Leihmutter hat keine Rechte an dem Kind. In der Geburtsurkunde werden weder die Leihmutterschaft noch die Leihmutter erwähnt. Es besteht kein Anwaltszwang.“

Sharmas unverhohlene Schwärmerei sagt alles aus. Die Rede von „Leihmüttern“ ist euphemistisch. Frauen werden rein zum Zweck des Gebärens angemietet. Alles, was daran erinnert, dass sie biologisch die Mutter des Kindes ist, muss ausradiert und unsichtbar gemacht werden. Die Mutter wird aus der Biografie des Kindes gelöscht. Sie muss sich vertraglich dazu verpflichten, das Kind den Bestelleltern auszuhändigen. Das erinnert an den Menschenhandel aus dunklen Zeiten.

Auch die verschärften Gesetze in Russland könnten den Leihmutterschafts-Markt in Georgien anheizen: Russland hat am 8. Dezember 2022 ein Verbot von Leihmutterschaft für ausländische Kunden verabschiedet. In den vergangenen Jahren sind laut dem Präsidenten der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, 45.000 von Leihmüttern geborene Babys von Russland ins Ausland gebracht worden. Russische Ehepaare und auch alleinstehende Russinnen können allerdings ihren Kinderwunsch weiter mit Leihmüttern verwirklichen.

Ein Blick nach Georgien zeigt die Dramatik der Situation. Große Teile der georgischen Bevölkerung leiden unter Armut, 35 Prozent sind arbeitslos, darunter besonders junge Menschen. Viele Frauen sind Opfer von häuslicher Gewalt und suchen Zuflucht in Frauenhäusern, wo Leihmutterschaftsagenturen sie aufsuchen. Um von ihren Ex-Männern loszukommen, brauchen Frauen ein Einkommen. So bot eine Leihmutterschaftsagentur einer 32-jährigen Bäckereiangestellten ein Fünf-Jahres-Gehalt, in ihrer Verzweiflung willigte sie ein. Während sie sich vor ihrem übergriffigen Ex-Mann in einem Frauenhaus in Tiflis versteckte, vermietete sie sich aus Angst um ihr Leben als Gebärmutter, um finanziell unabhängig zu werden. Die Direktorin des Frauenhauses berichtet von zehn ähnlichen Fällen in ihrer Einrichtung.

Der weltweite Widerstand wächst

Ein anderes Beispiel für skrupellose Methoden ist die Agentur New Life Global mit Sitz in London. Sie wurde 2008 von der georgischen Ärztin Mariam Kukunashvili gegründet und bietet internationalen Kunden kostengünstig ein Kind an. Dabei nützt New Life Global das rechtliche Vakuum in vielen Ländern, um von dort Leihmütter zu rekrutieren, damit sie für Kunden in Ländern, wo Leihmutterschaft verboten ist, Kinder austragen. Jetzt gerät die Firma laut einem Bericht der Recherche-Plattform Finance Uncovered wegen undurchsichtiger Briefkastenfirmen und Verdacht auf kriminelle Tätigkeit ins Visier der Behörden. Leihmütter erhalten keine rechtsgültigen Verträge, Eltern können das Geschlecht ihres Kindes auswählen. Und in der New-Life-Global-Filiale in der Ukraine wurden Bestelleltern bis vor kurzem informiert, dass sie nur gesunde Babys mitnehmen müssen. Kinder, die von einer Mietmutter mit Behinderungen geboren wurden, könnten legal in einem Waisenhaus zurückgelassen werden   auf Kosten der Regierung.

Der weltweite Widerstand gegen die Frauen und Kinder verachtende Praxis der Rent-a-womb-Industrie wächst – quer durch alle politischen Lager. Am 3. März 2023 veröffentlichten 100 Wissenschaftlerinnen und Experten aus 75 Ländern aller Kontinentem die „Casablanca Declaration“, in der sie die Staaten auffordern, die Praxis der Leihmutterschaft weltweit abzuschaffen. Die feministische Dachorganisation CIAMS (Internationale Koalition für die Abschaffung der Leihmutterschaft) und ihre „Internationale Charta zur Abschaffung der Leihmutterschaft“ wird von 300 NGOs und Menschenrechtsorganisationen weltweit   darunter die Österreichische Plattform www.stopptleihmutterschaft.at   sowie von 3.000 Einzelpersonen aus 65 Ländern unterstützt.

Statt die ausbeuterischen Entwicklungen zu stoppen, plant die EU, den Babyhandel nun grenzüberschreitend zu erleichtern, indem jene, die für das Kind zahlen, unbürokratisch auch gleich die rechtmäßigen Eltern werden. Damit wird der grenzüberschreitende Menschenhandel angekurbelt. Was es braucht, ist ein internationales Verbot von Leihmutterschaft. Nur dann könnten die Rechte von Frauen und Kindern wirksam geschützt werden.

Christian Kast

Vorsitzender