Schon das ungeborene Leben trägt die Menschenwürde, deshalb hat der Staat die Pflicht, es zu schützen. Doch gegenüber den Rechten der Frau zieht es womöglich den Kürzeren: Die Bundesregierung räumt schrittweise die Hindernisse für Schwangerschaftsabbrüche aus dem Weg. Auch das grundsätzliche Verbot von Abtreibungen soll aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Doch was bedeutet das in der Praxis? Und würde es Frauen wirklich helfen?

Sechs Frauen und zwei Männer stehen und knien nebeneinander in der Reihe an der Stufe eines eingefassten, gepflasterten Platzes. Manche haben Styroporkissen und Regenschirm dabei. Sie haben Plakate umhängen, auf denen Füße oder Gesichter von Embryonen abgebildet sind und die Aufschrift „Unborn Lives Matter“ – ungeborene Leben sind von Bedeutung, oder „Wir beten für dich“. Jeden Tag von Aschermittwoch bis Palmsonntag, immer am frühen Nachmittag, sind sie hier, sprechen Rosenkranz – Gebete, singen zwei, drei Lieder. „Hab Erbarmen mit uns und mit der ganzen Welt“, murmeln sie. Gegenüber ein Gebäude mit gelblicher Fasade. Hier hat die Organisation Profamilia ihre Räume. Frauen, die ungewollt schwanger sind und ene Abtreibung erwägen, bekommen hier den Schein, mit dem sie die verpflichtende Beratung von einem Schwangerschaftsabbruch nachweisen können.

Ein junger Mann, vielleicht Ende 20, kommt mit dem Fahrrad angefahren und hängt auf dieser Seite des Platzes, nahe dem Eingang von Profamilia, eine Regenbogenfahne an einen Laternenmast. Er postiert sich mit einem Stoff – Banner daneben, darauf die Aufschrift „Abtreibung ist kein Verbrechen“. Auf der Fläche zwischen ihm und den Lebensschützern ist mit lila Graffiti „My body, My Choice“ gesprüht worden. An einem Bauzaun mitten auf dem Platz hängt ein metergroßes Plakat mit derselben Aufschrift. Der junge Mann konstatiert, dass es das Versammlungsrecht ja „leider“ gestatte, dass die Lebensschützer ihre Mahnwachen gegenüber von Profamilia abhalten dürfen. Das beschied 2022 das Verwaltungsgericht Frankfurt. Die Stadt hatte es nur zur Auflage gemacht, dass die Beter während der Öffnungszeiten der Beratungsstelle an der Straßenecke etwa hundert Meter entfernt zu stehen haben. Doch die Lebenscchützer haben das Grundgesetz auf ihrer Seite. Der Verwaltungsgerichtshof Baden – Württemberg entschied in einem ähnlichen Fall ebenfalls zugunsten der Lebensschützer.

Zwischen Lebensschutz und Rechten der Frau:

Der Bundesregierung ist das jedoch ein Dron im Auge. Schon im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass „Gehsteigbelästigung“ verboten werden soll. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland im Februar: „Mahnwachen vor diesen Einrichtungen sind Grenzüberschreitungen und nicht hinnehmbare Eingriffe in die höchstpersönliche Entscheidung von Frauen.“ Frauen müssten ungehindert Zugang haben zu Beratungsstellen und Kliniken, wo Abtreibungen durchgeführt werden. Ihr Haus arbeitet bereits an einem Gesetz. Dabei sind Belästigungen und Blockaden schon jetzt verboten. Und überhaupt: Die Mahnwache vor dem Profamilie – Gebäude in Frankfurt zumindest ist ohne weiteres in großem Abstand zu umgehen. Wie viele Gebetsaktionen und Mahnwachen es vor Abtreibungseinrichtungen gibt, wie groß also das wahrgenommene Problem ist, das das Familienministerium angehen möchte, darüber hat es keine Zahlenm teilte es kürzlich mit.Die Aktion „40 Tage für das Leben“ läuft deutschlandweit derzeit nur in vier Städten – Frankfurt am Main – Pforzheim – Stuttgart und München. Rechtsanwalt Felix Böllmann von der Menschenrechtsorganisation ADF (Alliance Defending Freedom) sieht in dem geplanten Vorhaben der Bundesregierung deshalb vor allem „politischen Aktivismus“, heißt es in einer Meldung. „Allem Anschein nach möchte die Ampelregierung den verfassungsmäßßig gebotenen Schutz für das ungeborene Leben komplett abschaffen. Auf dem Weg dahin soll jede andere auffassung aus dem öffentlichen Raum verbannt werden.“

Tatsächlich wären solche „Bannmeilen“ für Lebensschützer vor Beratungsstellen einer von mehreren Bausteinen auf dem Weg, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren und die Hürden dafür zu senken. Voriges Jahr schaffte die Ampel – Regierung den Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch ab: das Werbeverbot für Abtreibungen. Ende Februar berief sie eine Expertenkommission, die prüfen soll, ob auch Paragraph 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden kann. Bemerkenswert an dieser Expertenkommission ist, dass alle Prolife – Organisationen hierbei nicht berücksichtigt worden sind. Offenbar möchte man unter seinesgleichen bleiben und keine kritischen Beiträge hören. Das Ziel ist klar: Abtreibung soll entkriminalisiert werden. Denn praktisch sidn Abtreibungen zwar möglich – unter der Bedingung, dass dies außer aus gesundheitlichen Gründen oder nach einer Vergewaltigung nicht nach der zwölften Schwangerschaftswoche geschieht und die Frau sicher vorher beraten lässt. Doch grundsätzlich ist dies laut diesem Paragraphen verboten, eine Schwangerschaft abzubrechen. Ethiker, Juristen und Mediziner gehören der Prüfungskommission an, Vertreter von Interessenverbänden oder Kirchen sind nicht dabei.

Quelle:

Pro. (2023, 28. April). Auf dem Weg zur legalen Abtreibung. PRO | Das christliche Medienmagazin. https://www.pro-medienmagazin.de/auf-dem-weg-zur-legalen-abtreibung/